Der Verlag Zweitausendeins – Versuch einer Lobrede
Gepostet | 3 KommentareSo, nun ist es wieder passiert. Ich verbringe den Samstagvormittag damit, diesen Artikel zu verfassen, weil es mir unter den Nägeln juckt. Mal wieder Zeit für ein paar Haftnotizen der besonderen Art.
Was ist passiert? Ein Verlag setzt den Rotstift an. Er entlässt mit 51 Mitarbeitern die Hälfte seiner Belegschaft, will sparen und gleichzeitig neu investieren und gliedert den Kundenservice aus. Nur noch 14 der deutschlandweit einstmals 40 Verkaufsstellen haben in den letzten Jahren “überlebt“. Der in Frankfurt am Main ansässige Verlag mit Direktvertrieb über Versandhandel, Zweitausendeins, ist auf dem Weg in einen “Erfolg versprechenden Neustart” wie es die Führungsetage verkündet.
Zweitausend… Wer? Hab ich noch nie gehört, werden sich vielleicht einige fragen. Was macht das für ein Unterschied, wenn ein Verlag langsam aber sicher von der Bildfläche verschwindet, es gibt ja noch mehr als 11.000 andere in Deutschland und irgendwann werden die eh alle von den 5 großen Verlagen, die da wären Springer Science + Business Media, Klett-Gruppe, Cornelsen, Random House und der Westermann Verlagsgruppe geschluckt oder gehen mit ihrem Programm in den Bestsellerorgien der heutigen Tage unter.
Das wäre für die Menschheit sicher auch kein großer Verlust und nur die wenigsten kleineren Verlage dürften eine Erwähnung in den Geschichtsbüchern erhalten. Nicht so aber bei diesem Verlag Zweitausendeins. Mit seinem Verlagsprogramm der etwas anderen Art hat er sich in der Vergangenheit sicher nicht nur Freunde unter der interessierten Leserschaft gemacht.
Aber lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Bücher vorstellen, die bereits in diesem Verlag erschienen und vielleicht dem ein oder anderem deutlich machen, dass das Schicksal des Verlages wahrscheinlich schon im Jahre 2006 durch die Übernahme der Beteiligungsgesellschaft MK Medien Beteiligungs GmbH und die Gebrüder Kölmel besiegelt wurde.
Um nicht gleich in der Schublade der Verschwörungstheorien zu landen möchte ich hier zu meiner Verteidigung folgendes anmerken: Vielen sogenannten Geschäftsleuten, die einen Verlag oder die Lizenzen an bestimmten Publikationen besitzen oder erwerben, geht es in vielen Fällen gar nicht um das Buch oder jeweilige Programm. Auch der Inhalt, den diese Bücher jedem willigen Leser zu vermitteln gedenken, ist für sie zweitrangig.
Für diese Gruppe zählt allein die Anzahl der eingekauften Unternehmen. Sie sind eher ein sammelwürdiges Objekt der Begierde, als ein Geschäft, dass eine ganz andere Aufgabe hat, die sich dem Besitzer nicht immer erschließt. Nämlich das Buch als Medium zu nutzen, um den Leuten Informationen zu vermitteln oder wenigstens gut zu unterhalten.
Einzig und allein Geschäftsberichte, Umsatzzahlen und die ständige Frage, ob dass Unternehmen rentabel arbeitet, sind wichtiger als das eigentliche Buch, dessen Inhalt und zuweilen auch Schönheit und untergraben damit seine Daseinsberechtigung.
Ein Vorgang übrigens, der sich auch sehr gut bei den großen Bücherplattformen beobachten lässt. Aber um nicht wieder unmögliche Kritiker zu einem Kommentar zu bewegen, erspare ich mir die Nennung von Namen. Aktive Leser meines Blogs und Büchermenschen wissen eh, wer gemeint ist.
Nun aber zu einigen Beispielen aus dem Angebot des Verlages Zweitausendeins. Da wäre zum einen:
- Global 2000. Der Bericht an den Präsidenten.
Es geht in diesem Sachbericht auf 1.508 Seiten um das wohl umfassendste Bild zukünftiger weltweiter Entwicklungen wie z. B. Ressourcenerhaltung, Umweltschutz, Bevölkerungsstabilisierung, etc. und die politischen Strategien die sich daraus ergeben oder die angewendet werden sollten.
Auch 30 Jahre nach Erscheinen dieses interessanten Nachschlagewerkes hat es keinesfalls an Aktualität verloren und das ein oder andere Ereignis ist genau so eingetroffen, wie es in dem Buch beschrieben wurde. Die letzte mir bekannte Auflage ist die vom Oktober 1981. Demnach wurden 270.000 Exemplare veröffentlicht/ausgeliefert/gelesen oder wenigstens in das Bücherregal gestellt.
Oder die beiden bereits in der Buchkammer Datenbank befindlichen, weil vergriffenen Bücher des amerikanischen Professors für südostasiatische Geschichte, Alfred W. McCoy, deren Rezensionen sich bei Bedarf in einem neuen Fenster bzw. Tabulator Ihres Browsers öffnen, sofern Sie auf den Titel klicken:
- Die CIA und das Heroin – Alfred W. McCoy (Untertitel: Weltpolitik durch Drogenhandel)
- Foltern und Foltern lassen – Alfred W. McCoy (Untertitel: 50 Jahre Folterforschung und -praxis von CIA und US-Militär)
Aber auch Bücher, wie:
- Global Brutal – Michel Chossudovsky (Thema: Globalisierung und wie der IWF, die Weltbank, die WTO und andere Organisationen in diesem “Spiel” ihre Pläne verwirklichen)
- Die verwundete Stadt – John Lee Anderson (Thema: Bagdad, seit dem Einmarsch der USA und warum sich das Land nicht durch eine neokoloniale Besatzungsmacht kontrollieren lässt)
- Generation Kill – Evan Wright (Thema: Der Autor, selbst mit einer Elitetruppe als Kriegsberichterstatter im letzten Irakkrieg unterwegs, beschreibt, wie Soldaten zu gefühllosen Tötungsmaschinen erzogen werden)
- Die Drogen, das Öl und der Krieg – Peter Dale Scott (Thema: Die außenpolitischen “Engagements” der USA werden im Zusammenhang mit vergangenen, aktuellen und möglicherweise zukünftigen Ereignissen kritisch unter die Lupe genommen)
- Verdeckte Ziele – John Pilger (Thema: Ungezügelter moderner Imperialismus, wie er sich entwickeln konnte und welcher Mittel er sich bedient)
sollen hier nicht unerwähnt bleiben und Ihnen einen Vorgeschmack auf das Verlagsprogramm von Zweitausendeins offerieren.
Manch einer möchte in diesen Aufzählungen eventuell eine antiamerikanische Einstellung vermuten, aber ich bin sicher, dass der überwiegende Teil des amerikanischen Volkes nicht auf einzelne dunkle Kapitel seiner kurzen Geschichte stolz sein kann und darf. Es sind einfach Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden haben und vor ihrer Akzeptanz in das Bewusstsein der Menschen eindringen müssen.
Was gesagt werden muss, tut manchmal auch weh und verletzt einstweilen Nationalstolz. Besser wäre es, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und eine gemeinsame friedliche Zukunft auf diesem unseren Planeten Erde zu gestalten.
Sicher ist Ihnen auch folgendes bekannt: Das das derzeit größten Wirtschaftssystems, dass uns gleichzeitig in die größte Finanzkrise stürzte, konnte nur entstehen, weil schätzungsweise 1 Million Ureinwohner vernichtet und dessen Lebensraum zerstört wurde.
Wussten Sie aber z. B. auch, dass sich Frankreich erst im Jahre 1962 aus Algerien zurück zog? Nach einer 130 Jahre währenden Kolonialherrschaft brachte auch der letzte Einsatz der 10. französischen Fallschirmjägerdivision, die in Algerien “ganze Arbeit” leistete und viele tausend Einwohner verschleppte und ermordete, nicht die erhoffte Lösung.
Noch ein paar Beispiele gefällig? In der Türkei wird den Kindern in den Schulen bis heute vorenthalten, dass der Völkermord an den Armeniern von 1915-1917, bei dem bis zu 1,5 Millionen Armenier umgebracht wurden, tatsächlich stattgefunden hat.
Und noch eines; uns hat man damals erzählt, dass Josef Stalin unser Freund und Genosse sei. Heute stellt man ihn mit Hitler durchaus auf eine Stufe, denn nicht nur die Ermordung von Tausenden polnischen Offizieren geschah unter seinem Befehl.
Ein letztes Beispiel – auch nur eines von vielen die unzureichend in Rundfunk, Presse und TV abgehandelt wurden, möchte ich anführen und meinen Blutdruck danach wieder auf normale Werte runterfahren. Die Konzentrationslager der Nazis wurden nach dem 2. Weltkrieg 1945 von den Russen noch mehr als 10 Jahre weitergeführt und unzählige Menschen starben oder wurden ermordet und im Wald verscharrt. Erfahren haben wir aus den neuen Bundesländern davon offiziell erst nach der Wende.
Aber, auch den Bürgern der BRD hat man seit der Gründung des sogenannten ersten freien und demokratischen Staates genug Märchen und Lügen aufgetischt, die zu akzeptieren einem schon fast unmöglich erscheinen.
Das alles steht geschrieben in Büchern. Aber nicht in Romanen die als Verkaufsschlager den Sprung auf den 1. Platz sämtlicher Bestsellerlisten aus dem Stand bewerkstelligen und meist in einer Auflage von mehr als 1 Million Exemplaren verramscht werden.
Derartige heikle und brisante Informationen und Themen finden sich kaum in den Medien. An dieser Stelle möchte ich mich für die Entstehung des Internets und die damit verbundene totale Vernetzung eines Großteils der Menschheit bedanken. Und ich empfehle Ihnen eine weitere Webseite: WikiLeaks ist eine Internetplattform, die größtenteils geheime Dokumente veröffentlicht, bei denen ein öffentliches Interesse angenommen wird.
Nur durch eine umfassende, unabhängige und informative Recherche ist es möglich, sich eine eigene Meinung zu bilden, bewusst zu machen, zu nutzen und zu wissen, dass die Welt nicht immer so funktioniert wie das von vielen propagiert wird. Das ist für jedes friedliche und freiheitsliebende Individuum die oberste Aufgabe. Dies gilt auch für all jene, die derzeit noch in der Verblödungsmaschinerie von TV Sendungen wie GZSZ, DSDS, Big Brother und den vielen anderen unnützen und meist schädlichen geistigen Abhängigkeiten gefangen sind.
Zurück aber zum Verlag Zweitausendeins. Er ist einer der Verlage, die mit vielen ihrer Publikationen etwas versuchen: Licht – auch in das dunkle Kapitel der Menschheitsgeschichte zu bringen und vielleicht ist das einer der Gründe, dass dieser Verlag langsam aber sicher vor die Hunde geht.
Ich weiß nicht, ob Sie mit einem Besuch der Webseite von Zweitausendeins und einem eventuellem Kauf der ein oder anderen interessanten Literatur dieses Verlages selbigen retten können. Aber ich versichere Ihnen, dass ich für diesen Artikel keinerlei Provisionen vom Verlag oder irgendeiner anderen Organisation erhalte.
Er spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wieder. Ich füge den Link zur Webseite an dieser Stelle trotzdem mit ein, weil ich meine, Zweitausendeins ist einer der Verlage, die dem Menschen mit ihren Publikationen die Augen öffnen, sofern letztere das wirklich wollen. Der Verlag sollte weiter existieren.
Webseite des Verlages Zweitausendeins
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Die Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit gegenüber tatsächlichen geschichtlichen Ereignissen untergräbt langfristig die bürgerlichen Freiheiten einer demokratischen Gesellschaft.
Pierre Vidal-Naquet (französischer Historiker)
(Hinweis: Pierre Vidal-Naquet gebrauchte dieses Zitat mit dem Begriff Folter. Ich habe es an der betreffenden Stelle durch tatsächlichen geschichtlichen Ereignissen ersetzt und mir das Zitat ausgeborgt, da es so passend beschreibt, was zukünftigen Generationen wichtig sein sollte.)
Eine Katastrophe! Zweitausendeins war immer ein guter und kritischer Verlag. Er passt nicht in die Medienlandschaft der Herrschenden, er passt vielmehr zu der im Schlusszitat beschriebenen Gleichgültigkeit.
Und doch: Die Rechnung geht nicht auf: Es gibt das Internet, es gibt Vernetzungen, es gibt Wikileaks, es gibt die NachDenkSeiten.de, es gibt diesen kritischen Artikel usw. etc.
Die Zeit ist reif und sie ist durch nichts aufzuhalten.
zweitausendeins habe ich erst dieses Frühjahr für mich wiederentdeckt.
In den 80’ern war zweitausendeins für uns sowas wie der Kontakt zur weiten Welt, da gab es all das, was man in einer Kleinstadt nicht finden konnte.
Überhaupt, die Zeit dieser Klein Kataloge auf Dünndruck Papier – fantastisch.
Mama studierte den Neckermann Katalog, Sohnemann lungerte in der Ecke und erfuhr, wie schlecht die Welt ist 😉 Kleinstadt Idylle
Nun, ich wohne wieder auf dem Land, die Wiesen sind saftig, und grad hab’ ich eine Bestellung abgeschickt — und an sich hat sich seit den 80’ern nichts geändert, viel zu viel bestellt beim Ramschladen mit Anspruch.
Jedoch leide ich schwer beim neuen Sortiment unter der Erinnerung an die wunderschönen Boris Vian Ausgaben aus den 80’ern, die sich nicht mehr in meinem Besitz befinden.
wie heisst es in der “merkmail” 429
“Den Kapitalismus kann man so wenig dazu ueberreden, sein Wachstum
einzustellen, wie einen Menschen dazu, das Atmen einzustellen.”
Danach bin ich durch Zufall hier auf diese kleine Trauerrede gestossen Es bleibt nur zu hoffen, das gut gefüllte Bücherregale endlich mal wieder einen besseren Ruf geniessen.
@Mary
Ja, glücklicherweise gibt es das Internet. Wie hervorragend das funktioniert sieht man momentan auch daran, dass die offizielle Darstellung der Medien über Stuttgart 21 meist im Gegensatz zu den Berichten der dort Streikenden steht. Letztere kann man ganz einfach verfolgen, indem man auf Twitter dem Kürzel #s21 folgt. 😉
Es lebe die globale Vernetzung.
@brody
In den 80’ern musste ich noch eine andere Nationalhymne singen. Aber zu meiner Verteidigung, ich bin regelmäßig nach Leipzig gefahren und habe die Wende sozusagen mit eingeleitet. 🙂
Ob Karl Marx geahnt hat, das sich der Kapitalismus derart rasant entwickelt? Dieser 3-bändige Wälzer, Das Kapital, wird übrigens heute noch gerne gekauft und steht hoch im Kurs.
Na mal schauen, wenn die Merkmail nicht mehr kommt, dann wird das Licht bei Zweitausendeins wohl endgültig gelöscht.