Der Antiquariatsbuchhandel im Wandel der Zeiten

Die Anfänge des Antiquariatsbuchhandels bis zum 1. Jhr. v. Chr.

Den Ursprung des Antiquariatsbuchhandels, also der Handel mit antiquarischen Büchern,  sollte man nicht mit dem Zeitpunkt der Erfindung des Buchdruckes gleichsetzen, auch wenn dieser dadurch einen revolutionären Auftrieb erhielt.

Seit Beginn der Steinzeit vor 2,6 Millionen Jahren gab es Gegenstände, auf denen Tiersymbole und andere Informationen abgebildet und die untereinander getauscht wurden.

Ich denke aber, man sollte sich auf den Zeitpunkt der Erfindung der Schrift einigen, um damit auch den Beginn des Antiquariatsbuchhandels zu definieren. Einigen wir uns also auf einen ungefähren Zeitpunkt um das 4.-5. Jahrtausend vor Christus. Die ältesten Schriften wurden in Uruk gefunden und auf diese Epoche datiert.

Damit wären die Sumer die ersten „Antiquare“, auch wenn diese sicher mit dieser Berufsbezeichnung nichts anfangen konnten. Seitdem wurden Aufzeichnungen per Hand vervielfältigt, also abgeschrieben und weitergegeben oder getauscht.

1. Jhr. n. Chr. und die Entwicklung bis Ende des 19. Jahrhunderts

Ein paar tausend Jahre später brachte Moses die 10 Gebote vom Berg Sinai mit, die er von Gott erhielt. Diese „Informationen“ die in 2 Steintafeln gemeißelt wurden, gelten noch heute als die bekanntesten Aufzeichnungen der damaligen Zeit und wurden in erweiterter Form und mit Ergänzungen in zwei Auflagen, dem Alten und dem Neuen Testament auch in Bücherform herausgegeben. Die Bibel ist und bleibt bis zum heutigen Tage übrigens auch das meistverkaufte Buch aller Zeiten. Über 1 Milliarde Exemplare, so schätzt man, wurden seither weltweit verkauft.

Im Altertum gab es bereits den Begriff des Handschriftenhändlers, der Bücher getauscht, gesammelt und auch verkauft hat. Die Menge der vorhandenen Bücher war jedoch nicht mit den heutigen Bücherbergen zu vergleichen. Die Neuauflagen der damaligen Zeit lagen zwischen 100-150 Bücher pro Jahr und beschränkten sich vorwiegend auf geistliche Werke, die meist von Mönchen in akribischer Handarbeit vervielfältigt wurden.

Als der Goldschmied Johannes Gutenberg um das Jahr 1440 den Buchdruck mit beweglichen Metalllettern erfand, wurde der Grundstein für die maschinelle Buchproduktion gelegt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Buchproduktion zwischen den Jahren 1450 bis 1500 bereits mit über 10.000 Titel in Auflagen von 30.000 – 35.000 Stück und einer durchschnittlichen Stückzahl von 500 Exemplaren gedruckt werden konnten. Damit erreichte die Anzahl der weltweit verfügbaren Bücher einen neuen Höchststand und die Produktion neuer Titel stieg auf etwa 250 Neuerscheinungen pro Jahr.

Die geringen Neuauflagen der damaligen Zeit erforderten keine organisierte Vertriebsstruktur, wie wir sie aus heutigen Tagen kennen. Nur einige wenige Buchhändler erhielten die Exemplare von den Verlagen und verkauften die neuen Bücher in den größeren Städten und eine Schar von fahrenden Händlern die Bücher im Wanderverkehr unter das Volk brachten, erreichte den Rest der Bevölkerung, wenn sie überhaupt lesen konnte und wollte.

Die Verleger produzierten aber mit der Zeit immer mehr und die Menge an Büchern konnte von den Sortimentsbuchhändlern nicht mehr vertrieben und auf Lager gehalten werden. Nun schlug die Stunde des eigentlichen Antiquariatsbuchhandels. Die Lager der Verleger wurden durch sogenannte Schleuderei geleert um Platz für Neuauflagen zu schaffen und der Antiquar kaufte die Restbestände, um sie zu gegebener Zeit an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Weiterhin landeten die bereits gelesenen Bücher wieder im Antiquariat und wurden oft gegen andere eingetauscht oder weiter verkauft.

Das Auktionswesen, welches sich Ende des 16. Jahrhunderts ausgehend von den Niederlanden über England, Frankreich und Deutschland rasch entwickelte, gab dem neu erschaffenen Berufsstand des Antiquars ebenfalls seine Daseinsberechtigung. Die ersten Kataloge der jeweiligen Antiquariate wurden gedruckt und die Inhalte in den Auktionshäusern versteigert. Messen wurden veranstaltet und das Geschäft mit den gebrauchten Büchern entwickelte sich zusehends.

Diese Lücke, die von der ständig steigenden Anzahl von Antiquariaten geschlossen wurde, bereitete den reinen Sortimentsbuchhandlungen schon bald einiges an Sorgen, da der Antiquar nicht an die Buchpreisbindung gebunden war und die Nachfrage auf Grund des gestiegenen Bildungsbewusstseins der Bevölkerung nach alten und älteren Büchern wuchs. Am 25. Oktober 1853 erschien in Leipzig ein „Regulativ für den Gewerbebetrieb der Antiquare“. Damit wurde versucht, die Handelsfreiheit des Antiquariats zu beschränken. Der Antiquar sollte sich auf den Handel mit gebrauchten Büchern beschränken und keine Möglichkeit mehr haben, Restbestände oder ganze Partien von Neubüchern direkt von den Verlegern oder über Verlagsauktionen zu erwerben.

Der 1825 gegründete „Börsenverein der Deutschen Buchhändler“ vermittelte in den Unstimmigkeiten zwischen Buchhandel und Antiquariat jahrzehntelang und mit der allgemeinen Einführung der Gewerbefreiheit in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts konnte sich das Antiquariatswesen vollends entwickeln.

In Deutschland gab es um das Jahr 1869 ungefähr 81 Firmen, die sich mit dem Antiquariatsbuchhandel beschäftigten. 1875 gab es bereits 98 und 5 Jahre später wurden 120 Antiquariate gezählt. Im Jahre 1890 war die Zahl der Antiquariatsbuchhändler bereits auf 195 gestiegen. Diese Zahlen verdeutlichen aber auch, wie rasant sich die Produktion von neuen Büchern der einzelnen Verlage entwickelte. Das gesteigerte Bildungsbedürfnis und das schnelle Anwachsen der Bevölkerung begünstigte diese Entwicklung.

Zum Vergleich möchte ich noch ein paar Zahlen anfügen. Im Jahre 1950 wurden weltweit ca. 250.000 Neuauflagen von den Verlagen pro Jahr auf den Markt gebracht. Im Jahre 2000 betrug die Anzahl der Neuauflagen bereits 1 Million (1.000.000) pro Jahr. Derzeit gibt es allein in Deutschland weit mehr als 1.200 Antiquariate, auch wenn diese nicht überall mit einem Ladengeschäft vertreten sind. Obwohl das Bildungsbedürfnis seit der Einführung des Fernsehens im Jahre 1950 ein wenig geschrumpft ist, wird in heutigen Tagen auf der Welt alle 30 Sekunden ein neues Buch verlegt. Eine etwas beunruhigende Entwicklung, die aber in einem anderen Artikel genauer untersucht werden soll.

Ende des 19. Jahrhundert hatte sich der Deutsche Antiquariatsbuchhandel etabliert und konnte beträchtliche Erfolge nachweisen. Er war durch den Handel mit Büchern nicht nur maßgeblich am Ausbau des Bibliotheks- und Universitätswesen in Deutschland, sondern auch in Übersee und Ostasien beteiligt.

Bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts stieg auf Grund der ständig wachsenden Bevölkerung die Anzahl der Universitäten, der Bibliotheken und es entwickelte sich eine weitere nicht zu unterschätzende Kundengruppe des Antiquariats. Die Bibliophilen (Bücherliebhaber und Sammler) drängten auf den Markt und wurden vorwiegend vom Antiquariat beraten und als Käufer von wertvollen Büchern gern gesehen.

Begünstigt durch die Säkularisationen (Einziehung kirchlicher Besitztümer) der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte landeten viele Bücher von unschätzbarem Wert bei den Antiquariaten. Bibliotheken wurden zusammengelegt und die daraus resultierenden Doubletten (mehrfach vorhandene Bücher) ließen das Herz des Antiquars ebenfalls höher schlagen und der ein oder andere pfiffige Geschäftsmann der ersten Stunde hatte womöglich noch aus der Zeit der Bauernkriege einen Karren voller Bücher gekauft, der nicht der damaligen Zerstörung zum Opfer viel und konnte diesen Bücherschatz nun gewinnbringend verkaufen.

Es waren die glorreichen Zeiten des Antiquariatsbuchhandels und die Lager der Antiquare waren um die Jahrhundertwende gut gefüllt und Nachschub gab es ausreichend.

20. Jahrhundert bis zum Ende des 2. Weltkrieges

Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges verschwanden die Exportmöglichkeiten der Deutschen Antiquariate und auch die Nachkriegszeit und der damit verbundene Zusammenbruch der Deutschen Wirtschaft, der Verfall der Währung und die folgende Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 zog nicht nur den Antiquariatsbuchhandel in große Mitleidenschaft.

Auch die nachfolgenden Jahre, des Nationalsozialismus, von 1933-1945 bedürfen keiner ausführlichen Schilderung. Unzählige Bücher wurden verbrannt weil sie nicht der Ideologie der damaligen Zeit entsprachen, jüdische Antiquare mit Weltruhm mussten emigrieren wenn ihnen nicht noch ein schlimmeres Schicksal wiederfuhr und ihre Bücher wurden konfisziert oder ebenfalls ein Opfer der Flammen. Bedeutende Bibliotheken, Universitäten und andere Bücherlager mit unschätzbaren Werken wurden durch Bombenangriffe zerstört und ein Großteil der Bevölkerung musste gegen Ende des 2. Weltkrieges hilflos mit ansehen, wie ihr Land von einigen wenigen Demagogen regiert, zu Grunde ging.

1945 bis heute…

Der Wiederaufbau des Bibliothekswesens und des gesamten Buchhandels gestaltete sich nach dem Ende des Krieges schwierig. Ein Grund dafür war sicher auch die Teilung Deutschlands in Ost und West. Bestimmt durch die Doktrin der jeweiligen Siegermächte konnte sich der westliche Teil Deutschlands aber schneller in dieser Richtung entwickeln, da im Osten Deutschlands die Firmen weitgehend enteignet und verstaatlicht wurden. Trotzdem gab es in beiden Teilen Deutschlands eine große Nachfrage an Büchern. Schulen, Universitäten und zahlreiche Bibliotheken wurden wiederaufgebaut und um den Wissensdurst dieser Institutionen und der Bevölkerung zu stillen, waren erfahrene Verleger, Buchhändler und natürlich auch Antiquare gefragt.

In Westdeutschland wurde 1949 die „Vereinigung deutscher Buchantiquare und Graphikhändler e.V.“ gegründet. 1951 trat dieser Verband der „International League of Antiquarian Booksellers“ kurz ILAB, bei. Der 1960 gegründete „Verband Deutscher Antiquare und Graphikhändler e.V.“ vereinigte sich im Jahre 1968 mit dem bereits existierendem Verband zu einer neuen Organisation mit dem Namen „Verband Deutscher Antiquare e.V. Die Vereinigung von Buchantiquaren, Autographen- und Graphikhändlern“, deren Mitgliederzahl sich derzeit um die 250 bewegen dürfte. Seit 1948 existiert im „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ auch die „Arbeitsgemeinschaft Antiquariat“ die gemeinsam mit dem neu entstandenem Verband die Interessen ihrer Mitglieder und der gesamten Branche vertritt.

In der sogenannten Ostzone gelang es nur wenigen Antiquariaten, ihre Unabhängigkeit zu behaupten. Der Großteil der Antiquariate wurde im staatlichen Leipziger Zentralantiquariat organisiert. In vielen größeren Städten gab es Zweigstellen dieser Vereinigung, die jedoch nicht über die nötige kaufmännische Freiheit und Unabhängigkeit verfügen konnten. Ein Grund dafür war sicher auch die Zensur der verantwortlichen staatlichen Organe, die eine Verbreitung von Literatur, die nicht der Ideologie der damaligen Zeit entsprach, erfolgreich unterbunden hat.

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 blühte der gesamtdeutsche Antiquariatsbuchhandel erst richtig auf. Antiquariatsmessen wurden nun auch in anderen großen Städten wie Leipzig oder Berlin und Frankfurt, Hamburg oder Stuttgart veranstaltet. Heute gibt es wie bereits oben erwähnt weit mehr als 1200 Antiquariate in Deutschland um den großen Bücherbergen unserer Zeit Herr zu werden. Diese sind zu ca. 50% in den jeweiligen Verbänden organisiert.

Seit den Anfängen und der stetig fortschreitenden Entwicklung des Internets ist eine neue Ära auch für den Antiquariatsbuchhandel angebrochen. Die Anforderungen des Marktes und der Kunden haben sich dadurch tiefgreifend verändert und die Vorteile liegen klar auf der Hand. Erstmals ist es möglich, seine Waren über große Entfernungen und zu günstigen Kosten jedem Interessenten auf der ganzen Welt anzubieten. Die Zeiten, in denen ein Kunde, der ein Buch sucht sich nur an das Ladenantiquariat wenden konnte, sind vorbei. Leider bleibt das persönliche Gespräch bei derlei Internetgeschäften meist auf der Strecke, wenn die beteiligten Personen womöglich mehrere tausend Kilometer auseinander wohnen, aber dem Fortschritt sollte man auch nicht den Rücken zukehren.

Die großen Bücherplattformen wie z.B. ZVAB.com, abebooks.de, antiqbook.com etc. werden von ca. 80% der deutschen Antiquare und Antiquarinnen genutzt. Heutzutage reicht es nicht, das eigene Angebot in einem Antiquariatskatalog in irgendeine Ecke des Internets abzulegen und darauf zu hoffen, dass die Kunden irgendwann darauf stoßen. Wir erleben derzeit mit einer neuen weltweiten Finanzkrise eine Abschwächung der Konjunktur und die gesamte Medienindustrie ist heute zu einem derart globalen Netzwerk zusammen gewachsen, dass eine objektive Berichterstattung und eine Versorgung mit wichtigen Informationen schier unmöglich macht.

In diesen Zeiten wird es nicht nur für den Antiquariatsbuchhandel immer schwieriger, antiquarische, vergriffene, seltene oder wertvolle Bücher an den Mann oder die Frau zu bringen. Der Bedarf an Bildung und bibliophilen Büchern ist nach wie vor groß und lässt sich wohl auch nicht durch die neue Medienlandschaft a la Supernanny, DSDS, unzähliger Talkshows, der 134. Tatort Wiederholung oder ähnlichen Entgleisungen unterdrücken.

Die vorrangige Aufgabe des Antiquariatsbuchhandels hat sich seit vielen Jahren kaum verändert. Die gesuchten und gut verkäuflichen Bücher oder anderen Informationsträger zusammenzutragen und dem interessierten Kunden anzubieten. Unerschütterlicher Arbeitseifer, ein gründliches Wissen, geistige Aufgeschlossenheit, Kontaktfreude und der Wille zum fortwährendem Lernen sind nur einige wenige Eigenschaften, die den erfolgreichen Antiquar oder die Antiquarin auszeichnen.

Ich wünsche ihnen Alles Gute und dem Antiquariatsbuchhandel weiterhin gute Geschäfte und bedanke mich für die Aufmerksamkeit, die sie diesem Artikel geschenkt haben.

Uwe Ross

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1 Kommentar

  1. Hendrik Boehnke

    Sehr geehrter Herr Ross,
    Sie sollten in Ihrem Artikel den Begriff “ sogenannte Ostzone“ doch durch
    DDR ersetzen.
    Viele Grüße
    Ihr
    Hendrik Boehnke

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